Green New Deal lokal: Den Wandel beschleunigen

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Quelle: Sylwia Mierzynska

 Denis Peisker konzentrierte sich in seinem Beitrag auf die Frage der öffentlichen Akzeptanz als Schlüssel zum Ausbau der erneuerbaren Energien. Der Projektleiter der Bio-Energieberatung Thüringen versucht die Menschen vom Nutzen von Biomasse-Anlagen zu überzeugen. Die Thüringer Landesregierung hat das ehrgeizige Ziel ausgegeben, bis zum Jahr 2020 ein Viertel des Primärenergieverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu gewinnen. Das soll insbesondere durch den Ausbau der Biomasse-Kraftwerke geleistet werden. Diese Anlagen können allerdings oftmals nicht ohne die Zustimmung und Beteiligung der Anwohner gebaut werden. Für Peisker wird das die wichtigste Aufgabe der nächsten Jahre: Die Akzeptanz für neue Konzepte zu schaffen und die Leute auf dem Weg mitzunehmen. Die Partizipation der Bürger sei dabei der wesentliche Schlüssel. Er unterscheidet dabei drei verschiedene Ebenen der bürgerlichen Partizipation: Auf der niedrigsten Ebene werden die Bürger nur informiert, maximal findet eine Reise zu einer bestehenden Anlage statt. Auf der mittleren Ebene werden die Bürger in einer Befragung konsultiert und um ihre Meinung zu neuen Energiekonzepten gebeten. Auf der höchsten Ebene wird eigenständiges bürgerschaftliches Engagement eingefordert, das beispielsweise in die Gründung einer Genossenschaft münden kann, die die Anlage verwaltet.

„Es lohnt nicht, einfach nur eine Anlage zu bauen“, ergänzte auch Michael Welz, es gehe dabei zumeist weniger um Technik. Man müsse zusätzlich als Bildungsträger auch an der Basis arbeiten, sonst werde die Akzeptanz nur gering sein. Welz hat die Thüringer Kommunen aus der Perspektive des Initiators erlebt. Er koordiniert und begleitet die Ausstellung „Klima wandelt Thüringen“. Diese Ausstellung der Heinrich-Böll-Stiftung tourt durch ganz Thüringen und versucht verschiedene Zielgruppen, besonders Schüler, für die Folgen des Klimawandels im lokalen Bereich zu sensibilisieren. Für Jugendliche finde Klimawandel meist nur an den Polkappen statt, aber nicht vor ihrer eigenen Haustür. Bei der Organisation der Ausstellung hat Welz immer wieder feststellen müssen, dass die Prioritäten bei den Kommunen ganz anders gesetzt sind: „Wir denken oft, wenn wir uns treffen, dass wir schon Usus mit den Erneuerbaren Energien sind – aber wir sind immer noch eine Randerscheinung.“ Deshalb müsse man besonders auch in den kleinen Orten „Missionierungsarbeit“ leisten – bei den kommunalen Verwaltungen auf dem Lande und bei den Schülern, die den erneuerbaren Energien fern stehen.

Wie sollen denn Landräte auch überzeugt werden, erwiderte hingegen Joseph Ahlke vom Erfurter Amt für Stadtentwicklung und –planung in der offenen Diskussion, wenn es in Deutschland immer noch 40 Milliarden Euro an gegenläufigen Subventionen gebe, beispielsweise die Pendlerpauschale. Von der Politik müssten diese großen Widersprüche abgebaut werden, dann könnten auch die kommunalen Entscheider überzeugt werden.

Auch bei der Wärmedämmung gehe es eigentlich nur noch um politische Entscheidungen, ergänzte der Weimarer Architekt Roberto Kobelt. Bereits heute lägen alle nötigen Technologien auf dem Tisch, sie müssten nur noch politisch umgesetzt werden. Aus seiner Sicht seien diese zögerlichen Forderungen, dass 20-30% der Häuser Passivhäuser sein sollten, eher kontraproduktiv. Man müsse das radikalisieren und gleich eine Quote von 100% fordern, erst dann würde man etwas erreichen.

Dem stimmte auch Jennifer Schubert von den Jenaer Grünen zu: Gegen die Macht der Gewohnheit, helfen oftmals nur Zwangsmaßnahmen. Das sehe man beispielsweise an der Bereitschaft zur Organspende: In Deutschland gebe es zwar eine sehr hohe grundsätzliche Bereitschaft, aber nur 12 % realisierte Spenden. Im Gegensatz dazu erreicht Frankreich fast 100 Prozent. Dort müsse man begründen, warum manaus dem Programm aussteigen will.

Man brauche keine Zwangsmaßnahmen, findet hingegen Sven Nobereit vom Netzwerk Nachhaltigkeit Thüringen. Die meisten Unternehmen spüren bereits einen hohen Leidensdruck, der sie zum Handeln treibt. Die Energiekosten seien mittlerweile ja oft sogar höher als die Personalkosten. Daher brauche man gar keine industriepolitischen Ansätze, die Unternehmen stellen allein aus betriebswirtschaftlicher Sicht fest, dass sie ihre Energiekosten senken müssen.

Heiko Rittweger hat zwar nicht diesen Druck gespürt, da er kein produzierendes Unternehmen führt, sondern eine Werbeagentur, dennoch startete er mit seiner Firma ein richtungsweisendes Experiment. Er wollte, dass seine Firma klimaneutral arbeitet. Daraufhin ließ er den ökologischen Fußabdruck ermitteln und zog in ein klimaneutrales Gebäude um. Die internen Prozesse wurden überarbeitet, so dass das Unternehmen heute ein zu 95% papierfreies Büro ist. Dafür wurde die Werbeagentur auch als umweltfreundlichstes Büro Deutschlands ausgezeichnet. Insgesamt konnten durch diesen Schritt die Kosten stark gesenkt werden. Für Rittweger jedoch wesentlich erstaunlicher war, dass diese Umstellung auch Einfluss auf die Bewerbersituation der Firma hatte: Ein Unternehmen, dass sich nachhaltig aufstellt, bekomme durch den guten Ruf auch bessere Bewerber. Rittwegers Erfahrung in diesem Umstellungsprozess war aber auch, dass man sehr viel Gegenwind bekomme, besonders aus Ecken, aus denen man gar keinen Wind erwartet hatte.

Dr. Werner Neumann, Leiter des Energiereferates der Stadt Frankfurt, hat diese Erfahrung auch gemacht. Er deutet dies aber gerade positiv: Gerade wenn der Erfolg komme, gebe es immer auch Gegenwind. Aber es gebe in den Medien zunehmend auch Kampagnen, die systematisch die erreichten Erfolge der erneuerbaren Energien kaputt redeten. Das gesamte neue Energiekonzept der aktuellen Bundesregierung sei, laut Neumann, ebenfalls eine einzige Gegenbewegung. Aber es sei auch nicht zu erwarten gewesen, dass erneuerbare Energien reibungslos auf der Bundesebene durchzusetzen seien, dafür gebe es zu viele gegenläufige Interessen.

Auf kommunaler Ebene könne aber dennoch etwas durchgesetzt werden, merkte Joseph Ahlke abschließend an, wenn viele Kommunen etwas gemeinsam machten. Sobald etwas in 80 bis 100 Kommunen umgesetzt werde, so seine These, habe es die Schwelle zum Alltag der Bürger überschritten und könne nur noch schwer von politischen Gegenbewegungen gestoppt werden. Seine Hoffnung ist, dass gerade über eigenverantwortete Genossenschaften das Potential der Mitbürger entdeckt werden könne.