Am 2. Januar 2010 luden die Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen im Rahmen der Salonreihe Kunst & Politik und das Kunsthaus Erfurt in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin zu einer Filmvorführung und Gespräch ein.
Mitte der 70er Jahre gab es in verschiedenen Städten der DDR Bemühungen eigenständige, nichtstaatliche Galerien aufzubauen. Es gab die Galerie Schweinebraden in einem Hinterhaus in Berlin Prenzlauer-Berg. Der Psychologe Schweinebraden zeigte seit 1974 einerseits unangepasste Künstler der DDR, aber auch aus der BRD, was ein Novum darstellte. Dabei machte er das ostdeutsche Publikum mit Produkten der westlichen Kunst wie Mail Art, Konzeptkunst, Performance und Video bekannt. In Karl-Marx-Stadt entstand 1977 die Galerie Clara Mosch. Sie wurde von den Künstlern Carlfriedrich Claus, Dagmar Ranft-Schinke, Thomas Ranft, Michael Morgner und Gregor Schade gegründet. In einem kleinem Haus am Rande der Stadt (Adelberg) fanden zahlreiche Ausstellungen statt, ein wichtiges Moment der Galerie waren Feiern, Fußballspiele und der Austausch mit Kollegen aus Dresden, Leipzig und Berlin. Legendär die Künstler-Pleinars, oft unter kuratorischer Beteiligung von Klaus Werner aus Berlin.
Dieser versuchte dort ab 1974 in der staatlichen Galerie Arkaden am Straußberger Platz ein eigenständiges Programm zu etablieren. Für diese Zeit ungewöhnliche Hängungen waren ein Markenzeichen dieser Galerie, in der sich das Who is Who der Ostberliner Intellektuellen traf.
All diese Versuche wurden Anfang der 80er Jahre durch staatlichen Druck unterbunden. Schweinebraden verließ die DDR, Clara Mosch musste mit dem Kulturbund zusammenarbeiten, das Gebäude wurde geschlossen. Später wurde versucht in der neu geschaffenen staatlichen Galerie oben etwas vom Clara Mosch-Geist zu retten. Die Galerie oben existiert bis heute. Klaus Werner wurde rausgeschmissen, er war danach als Kurator tätig.
Anfang der 80er Jahre wuchs eine neue Künstlergeneration heran und es entstanden neue Ausstellungsräume. Der bekannteste und wichtigste Ort war ab 1983 eine Galerie, ab 1985 unter dem Namen Eigen+Art in Leipzig. Durch professionelle Arbeit und Mut zum Risiko etablierte Judy Lybke als Leiter dieser Galerie junge Künstler und ebnete ihren Weg auf den internationalen Kunstmarkt der heutigen Zeit. In der Eigen+Art wurde ein wirksames Refugium geistiger Autonomie geschaffen, in dem sich junge Kreative einen selbst bestimmten Raum des künstlerischen Austausches schufen und sich somit der vorgesehenen staatlichen Kontrolle entzogen. Um Komplikation mit Behörden aus dem Weg zu gehen lief die Galerie Eigen+Art offiziell als Atelier. Die jeweils ausstellenden Künstler waren deshalb während der Ausstellungslaufzeit anwesend. Manche, wie die Autoperforationsartisten machten das gleich zum Konzept. Sie ließen sich in den Galerieräumen einschließen, schliefen dort und produzierten tagsüber Kunst. Die Räume wurden täglich für drei Stunden aufgeschlossen, in dieser Zeit konnten Besucher Nahrung gegen Kunst tauschen.
Im Film kommen Schweinebraden, Thomas Ranft, Gregor Kozik (Schade) und Michael Morgner von der Clara Mosch, der Berliner Kunstwissenschaftler und Kurator Christoph Tannert, Künstler der Eigen+Art, wie Dammbeck, Olaf und Carsten Nicolai, Jörg Herold, Else Gabriel u.v.m. zu Wort. Dazu ältere Aufnahmen und Interviews mit Klaus Werner, für den Film war kein Gespräch mehr möglich. Klaus Werner verstarb nach langer Krankheit Anfang des Jahres. Die Interviews werden mit, zum Teil unveröffentlichtem Filmmaterial untermalt. Super 8 Filme und Videos von Aktionen der Clara Mosch, Ausstellungsansichten der Galerie Schweinebraden, Eröffnungen der Galerie Arkade und reichlich Material aus dem Eigen+Art Archiv.
Der Film ermöglichte erste Einblicke in die Szene unabhängiger Ausstellungskultur in der DDR. Neben den gezeigten existierten eine Vielzahl von Ausstellungsräumen in Privatwohnungen und Ateliers. Beispiele sind Wanja in Dresden, das Atelier Springmühl in Karl-Marx-Stadt, das Haus der Familie Lindner, die Galerie Flur und die Kürschnergasse 7 in Erfurt, die Wohnung von Wasja Götze in Halle, die Wohnungen von Zappka und Deloch in Berlin. Genug Stoff für einen zweiten Teil.
Behauptung des Raums – Wege unabhängiger Ausstellungskultur in der DDR
2009, 100 min
Regie und Buch: Claus Löser
Kamera, Buch und Schnitt: Jakobine Motz