Auf dem Weg in eine andere Gesellschaft - Was kommt nach dem Wachstum?

Der Frage nach den Möglichkeiten und Konturen einer Postwachstums-Gesellschaft widmete sich eine öffentliche Ringvorlesung im Erfurter Rathaus - organisiert von Universität, FH, verschiedenen Hochschulgruppen und Initiativen sowie der Luxemburg- und der Böll-Stiftung. Das Spektrum der Referent/innen reichte von Alexis Passadakis über Uwe Schneidewind und Christa Müller bis zu Angelika Zahrnt. Die Dokumentation der Reihe steht am Ende des Artikels zum Download zur Verfügung.

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Quelle: Christina Bieber_pixelio

Einleitung

Unsere hochmodernen, europäischen und nordamerikanischen Gesellschaften sind nicht nachhaltig. Wir verbrauchen Jahr für Jahr, Tag für Tag riesige Mengen an Rohstoffen und an fossilen Brennstoffen, wir verschmutzen unseren Planeten Jahr für Jahr und Tag für Tag mit enormen Mengen an Schadstoffen. Wir tragen Tag für Tag und Jahr für Jahr zur dramatischen Reduktion von Biodiversität bei. Wir Bürgerinnen und Bürger in diesen Gesellschaften sind direkte und indirekte Ursache von Landvernichtung, Ressourcenverschwendung und bedrohen mit unserem Konsum ganze Länder. Der ökologische Fußabdruck jedes Mitgliedes unserer Gesellschaften hat die Biokapazität der Erde schon seit Längerem überschritten und bewegt sich in schwindelerregender Höhe.

Europäische und nordamerikanische Länder und zunehmend auch Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien leben auf Kosten der verarmten und ausgebeuteten Länder und auf Kosten der zukünftigen Generationen. Von den Millenniums-Zielen sind wir meilenweit entfernt, wie wohl ebenfalls von der Möglichkeit, das 2-Grad-Celsius–Ziel von Kyoto zu erreichen. All das sind erdrückende

Belege dafür, dass wir als hochmoderne Gesellschaften so nicht weitermachen dürfen: Außer wir wollen das Biosystem Erde dramatisch verändern und ganz bewusst für Milliarden von Lebewesen unbewohnbar machen. Im Anthropozän ist der technologisch hoch konsumierende Anthropos offensichtlich zum tödlichen Risiko für alle geworden.

Daher sollten, ja müssen wir als (politische) Gesellschaften und als Bürgerinnen und Bürger dieser Gesellschaften andere Wege in eine andere Zukunft einschlagen. Wir sollten, ja wir müssen uns auf den Weg in eine andere Gesellschaft begeben. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung hat deshalb im Jahr 2011 u.a. zu einer „Großen Transformation“ aufgerufen: „Produktion, Konsummuster und Lebensstile müssen so verändert werden, dass Treibhausgasemissionen im Verlauf der kommenden Dekaden auf ein Minimum reduziert (…), essenzielle Ressourcenknappheiten (vor allem Land, Wasser, strategische mineralische Ressourcen) durch signifikante Ressourceneffizienzsteigerung minimiert und abrupte Veränderungen im Erdsystem durch Wirtschafts- und Entwicklungsstrategien (…) vermieden werden können.“

Das ist eine enorme Aufgabe und eine – in jeder Hinsicht – kaum zu übersehende Herausforderung. Dafür haben wir – Bürgerinnen und Bürger, Politik, Gesellschaft, Ökonomie, Kultur, Wissenschaft – keinen Masterplan, wir verfügen nicht oder nur in geringem Maß über Erfahrungswissen, besitzen nur wenige wissenschaftliche Analysen über die sozialen Konsequenzen weit reichender ökologischer Zusammenbrüche, sehen nur ganz diffus, welche komplexen Veränderungen (lokal) auf uns zukommen, wenn wir (global) die Ökonomie zurückfahren und radikal umbauen, und handeln unter Rückkoppelungsschleifen und Unsicherheitsbedingungen, die der Risiko- Gesellschaft unhintergehbar eingeschrieben sind. Auch sollten wir bedenken, dass der Planungswahn oft selber Teil des Problems ist, und Menschen in Not, Elend und Verzweiflung sich nicht an Pläne halten.

Gleichwohl sollten, ja müssen wir die „Große Transformation“ angehen und uns auf den Weg machen. Wir sind der Überzeugung, dass dieser Weg in eine andere Gesellschaft aus vielen kleinen Wegen, Pfaden, Spuren entsteht. Diesen vielen kleinen Wegen widmet sich die stadt-öffentliche Ringvorlesung in Erfurt im Sommersemester 2012. Sie macht Pfade sichtbar, die wir gehen können, und die einige schon beschreiten. Sie benennt auch Probleme, die diese Wege blockieren oder erschweren. Die Ringvorlesung will informieren, aufklären, diskutieren und ganz praktisch zum gemeinsamen, innovativen und selbstbestimmten Handeln anstiften.

Die Ringvorlesung ist deshalb ganz bewusst eine Kooperation der Universität Erfurt, der Fachhochschule Erfurt und der Landeshauptstadt Erfurt mit der Koordinationsstelle UNDekade Thüringen sowie der Heinrich-Böll-Stiftung, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, attac Erfurt, dem Bundesmodellprojekt Lernen vor Ort, der AG Nachhaltigkeit e.V., der Hochschulgruppe „Impuls. Für eine neue Wirtschaft“ und des Nachhaltigkeitszentrums Thüringen. Wir sind uns sicher: Die „Große Transformation“ kann nur gemeinsam, demokratisch, pluralistisch und partizipativ gelingen.

Wir danken der Sparkasse Mittelthüringen, dem Förderverein der Fachhochschule und der Universitätsgesellschaft Erfurt für ihre finanzielle Unterstützung.

Wir danken – last, not least – allen Referentinnen und Referenten, die die Ringvorlesung zu so einem großen Erfolg haben werden lassen.