„Es ist kein Leben für Frauen, eingeschlossen zu sein!“ Fidelia Johnson von der Berliner Initiative "Women in Exile" erzählt von geflüchteten Frauen in Deutschland. Von Freundinnen, Bekannten. Von Frauen, die ihr während ihrer Arbeit mit "Women in Exile" begegnet sind. „Von eigenen Erfahrungen?“
Die Frauen seien oft in überfüllten Räumen untergebracht. Sowohl in den großen Hallen der Notunterkünfte als auch in den Heimen, in denen mehrere Frauen und ihre Kinder in einem Zimmer zusammenleben, gebe es kaum Ruhe oder Rückzugsmöglichkeiten. Oftmals könne man die Sanitäranlagen in den Unterbringungen nicht abschließen. Immer wieder komme es vor, dass Männer die Tür aufmachten, während eine Frau dusche. Natürlich aus Versehen.
Johnson erzählt von Frauen, die schwanger sind und für die ärztliche Versorgung ins Krankenhaus in Deutschland gehen. Dort werden sie untersucht und behandelt – ohne dabei ein Wort zu verstehen oder sich den Ärzten verständlich machen zu können.
Um Sprachkurse besuchen zu können, brauchen die Frauen einen Kitaplatz für ihre Kinder. Doch oft würden Frauen hin und hergeschickt. Zuständige der Sprachkurse erklären den Frauen, Es müsse erst die Betreuung der Kinder gesichert sein, bevor die Frauen einen Sprachkurs suchen könnten. Viele Kindertagesstätten aber geben an, dass die Frauen erst einen Platz in einem Sprachkurs bräuchten, um einen Kita-Platz zu beantragen. So blieben die Frauen nach einigem Hin und Her einfach zu Hause, ohne Sprachkurs, ohne Kinderbetreuung, weil sie nicht weiterwüssten.
Auch Heike Geisweid (Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Ausländer- und Asylrecht aus Bochum) berichtet von Schwierigkeiten für Frauen während des Asylverfahrens, wenn die geflüchteten Frauen vor dem Gericht ihre Fluchtgeschichten erzählen sollen. Persönliche Erlebnisse, Gewalterfahrungen auch sexualisierter Gewalt völlig Fremden zu schildern benötige einer Vorbereitung der Frauen auf die Interviewsituation. Das Erzählen der Erlebnisse vor einer männlichen Rechtssprechung oder mittels eines männlichen Dolmetschers verschärfe die Situation für Frauen noch einmal.
Marie Günther (Sozialarbeiterin bei refugio Thüringen e.V. in Jena) betont den Aspekt sexualisierter Gewalt. Oft seien die Frauen auf der Flucht sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Die gedrängte Unterbringung biete den oftmals traumatisierten Frauen nicht genug Schutz. Im Gegenteil: Auch in den Heimen und Lagern in Deutschland seien Frauen Übergriffen ausgesetzt. „Es geht nicht darum, wie viele Frauen betroffen sind. Es herrscht Betroffenheit. Und allein die Angst davor schränkt Frauen ein.“ Doch auch eine dezentrale Unterbringung der Frauen könne sie nicht in den Fällen vor Gewalt schützen, wenn diese vom Vater, vom Ehemann oder Brüdern ausgehe.
„Wir sind das Problem, weil wir nicht darauf vorbereitet sind, auf die Schwierigkeiten der Frauen einzugehen“, sagt Dr. Silke Albin (Staatssekretärin für Justiz, Migration und Verbraucherschutz in Thüringen). In dem Notmodus, der seit Sommer in Thüringen angesichts der hohen Zahlen von Flüchtlingen herrsche, würden Strukturen geschaffen, die Frauen in eine noch schwierigere Lage brächten. Es müsse bei der Unterbringung wieder mehr Rücksicht genommen werden auf die Belange von Frauen.
Aber was muss sich in Deutschland verändern zugunsten geflüchtete Frauen? Heike Geisweid spricht sich für eine Sensibilisierung der Akteure in Bezug auf die Situation der Flüchtlingsfrauen aus, für eine andere Unterbringung, eine bessere rechtliche und psychologische Betreuung und eine wohlwollendere Rechtssprechung gerade bei frauenspezifischer Verfolgung. Marie Günther ergänzt dies um eine Förderung frauenspezifischer Angebote und eine gesicherte Finanzierung der Betreuung und Beratung, inklusive der dafür benötigten Dolmetscher_innen. Es entstehe ein Handlungsbedarf, der gefüllt werden müsse.
Und Johnson? Sie fordert, dass es den Frauen möglich sein müsse, sich wohlzufühlen in Deutschland. Dass Frauen nicht mehr in Heimen untergebracht werden, egal ob alleinreisend oder mit Kindern. Sie wünscht sich, dass Studentinnen in Deutschland, die Sprachen studieren, in die Heime gehen und für geflüchtete Frauen übersetzen und ihnen helfen oder die Frauen einfach rausholen würden aus der bedrückenden Atmosphäre in den Heimen – und wenn es nur für ein paar Stunden sei. „Es ist kein Leben für Frauen, eingeschlossen zu sein.“ Und am meisten wünscht sie sich, dass alle, die nach Deutschland kommen, die Chance auf Asyl haben und die Heime geschlossen werden.
"Es bleiben mehr Fragen als Antworten“, fasst Scherschel (Professorin an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden) zusammen. Flucht sei kein Modethema. Sondern ein Thema, das weitreichende Folgen haben werde für unsere Gesellschaft.