Der Flüchtlingsrat kritisiert auch die aktuelle Praxis der Abschiebungen. Die Polizei sei in Erfurt nachts um vier in eine Unterkunft gekommen und habe die Flüchtlinge rausgeholt. Das Problem sei, dass es keine Richtlinien in Thüringen für Abschiebungen gebe.
Das dazugehörige Bundesgesetz wurde erst vor vier Wochen geändert. Wir befinden uns gerade in der Abstimmung mit anderen Landesregierungen, wie man Abschiebungen humaner gestalten kann, auch wenn der Abschiebezeitpunkt laut neuem Gesetz nicht mehr genannt werden darf. Aber eigentlich befürworten wir die freiwillige Rückkehr. Diese Form ist effektiver, erfolgreicher, billiger und humaner.
Wie läuft denn eine freiwillige Rückkehr ab?
Nach der Ablehnung des Asylantrages wird zunächst geprüft, ob Gründe für eine Duldung vorliegen. Falls nicht, werden die Flüchtlinge aufgefordert, innerhalb eines Monates auszureisen. Es wird ihnen dann auch Unterstützung angeboten. Wenn sie alle Aufforderungen und Angebote ignorieren, muss die Bundespolizei die Abschiebung übernehmen.
Die CDU bemängelt, dass Thüringen bundesweites Schlusslicht bei den Abschiebungen sei.
Die Abschiebungszahlen unterscheiden sich im Verhältnis zu anderen Ländern nicht wesentlich. Die CDU will, dass jeder Polizist jeden abgelehnten Asylbewerber zu jeder Zeit abschieben kann. Der Flüchtlingsrat will, dass Abschiebungen von Familien mit schulpflichtigen Kindern nicht zur Schulzeit und auch nicht nachts stattfinden. Wenn das Zeitfenster dann nur zwei Stunden beträgt, wird eine Abschiebung de facto unmöglich gemacht. Wir wollen das mit anderen Ländern gemeinsam regeln – aber so dass Abschiebungen auch möglich bleiben. In den kommenden Monaten wird es eine deutlich erhöhte Zahl von abgelehnten Asylanträgen geben.
Sie versuchen ihre Politik oft mit anderen Ländern abzustimmen. Wenn 80 Prozent der Asylgesetze Bundesgesetze sind, was ist denn eigentlich der Spielraum einer Landesregierung? Was unterscheidet sie beispielsweise von ihrer Vorgängerregierung?
Wir geben der Flüchtlingspolitik einen anderen Stellenwert...
… aber das mussten sie ja zwangsläufig …
Wir sind nicht nur durch die aktuelle Situation gezwungen, wir haben das auch schon vorher gemacht. Es ist doch entscheidend, welche Signale wir aussenden: Sagen wir, wie die Bayern, dass wir uns abschotten und die Flüchtlinge abschieben wollen. Oder sagen wir, dass die Flüchtlinge willkommen sind und dass Thüringen dauerhaft Zuwanderung braucht. Demographische Prognosen sagen, dass die Thüringer Bevölkerung von 2,2 auf 1,8 Millionen schrumpfen wird. Thüringer Firmen werden vom Markt verschwinden, nicht weil sie schlecht wirtschaften, sondern weil sie kein Personal mehr finden. Deshalb müssen wir die Flüchtlinge vielmehr als Chance begreifen.