„Geh zu deinem Kamel in Aleppo zurück.“ „Die alten Öfen sind noch da.“ „Kennt ihr Nutella in Syrien? Gibt es überhaupt Schoko da?“
Liest man heute Nachrichten über Syrien in den Medien, stoßt man unvermeidlich auf stereotype Kommentare und Hetze über und gegen syrische Geflüchteten. Eben auch wenn man von denen wenig weiß. Abdul und Alaa sind zwei junge Männer aus Syrien. Sie haben auf ihre Art und Weise ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt.
Vor circa 2.5 Jahren sind die beiden nach Deutschland gereist, um in dem neuen Land ihre Zukunft zu sichern und im Frieden zu leben. Anfang 2015 haben sie ihren Youtube-Kanal unter dem Namen German LifeStyle GLS gegründet. Durch realitätsbezogene, manchmal absichtlich übertriebene, Sketche stellen sie die Stereotypen syrischer und deutscher Gesellschaft dar, und zielen damit auf mehr Annäherung und Kommunikation zwischen den beiden Nationen ab. Dadurch wollen sie die Vorurteile abbauen und eine Brücke zwischen beiden Gesellschaften entwickeln. „Wir sind der Meinung, dass keine Gesellschaft auf dieser Welt auf einen einzigen Stereotyp reduziert werden kann.“, sagt Abdul in seiner Rede in TEDx Münster.
Abdul und Alaa engagieren sich für die Hilfe ihrer Landsleute, und setzen sich mit den Herausforderungen für die Neuankömmlinge auseinander, z. B. der deutschen Sprache und Kultur. Mit unterhaltungsvollen nachvollziehbaren Beispielen über den syrischen und deutschen Lebensstil wollen die Beiden das negativ generalisierende Denken über beide Kulturen möglichst reduzieren bzw. beseitigen. „Es ist wichtig, dass man nicht alle über einen Kamm scheren darf“, sagt Alaa.
Die zwei Videoblogger richten in ihren Videos zum einen ihre Botschaft an die deutsche Gesellschaft, insbesondere an Flüchtlingsgegner, wie die NPD und rufen zur Toleranz auf. Zum anderen drehen sie Videos über die deutsche Sprache, Kulturschocks oder karikieren aus ihrer eigenen Erfahrung die Gewohnheiten und kulturellen Unterschiede der zwei Gesellschaften. Humor wirkt dabei ganz besonders als Eisbrecher und ermöglicht eine bessere gegenseitige Verständigung. In dem Video "Peinliche Situationen für die neu Ankommende in Deutschland" bieten sie dar, wie unsicher es sein kann, für einen Einsteiger in Deutschland in unterschiedlichen Situationen zurechtzukommen. Wie begrüßt man sich richtig? Mit Handschlag, Umarmung, Küsschen oder alles zusammen, wie das Video zeigt. Wie spricht man fremde Leute an? Alaa beschreibt im Video, wie schwer es war, zwischen "Sie", "Ihnen", "dir" oder "dich" zu unterscheiden. „"Sie" ist immer sicherer. Ich habe immer "Sie" gesagt, egal was, kleine Kinder… Tiere!“ erzählt Abdul ironisch in dem Video.
Das interkulturelle Projekt erreicht mit deutschsprechenden und arabisch untertitelten Videos über 100.000 Follower auf Facebook sowie mehr als 20.000 Abonnement auf Youtube und trägt damit zum Vernetzen vieler syrischer Geflüchteter bei. Bemerkenswert auf der Facebook-Seite ist die ansteigende Zahl der Deutschen, welche mit ihren Kommentaren das Projekt loben und zum Weitermachen anregen.
Neben ihrem Studium sind Abdul und Alaa auch tätig im Projekt „life back home“, in dem junge Geflüchtete kurze Vorträge in deutschen Schulen über ihr Leben in ihrem Heimatland vor dem Krieg sowie über Fluchterfahrung halten. Dies soll zur Sensibilisierung von Themen wie Flucht, Migration und Interkulturalität für deutsche SchülerInnen beitragen.
Migrantische Selbstoragnisation
Das Projekt German LifeStyle steht heute mit anderen syrischen Initiativen, wie z. B. syrisches Haus in Deutschland, LSgermany (life and study in Germany) und Make it German im Mittelpunkt der sogenannten migrantischen Selbstorganisation im Internet. Zahlreiche Videos, Artikel und Online-Plattformen gelten als Informationsquelle, sie dienen zur Unterstützung von vielen jungen syrischen Geflüchteten und erklären außerdem das A und O für das Leben und Studieren in Deutschland. Die neuankommenden Syrer werden dadurch eng vernetzt und tauschen deren Erfahrungen in dem neuen Land miteinander aus.
Man könnte eben so weit gehen und sagen, dass German LifeStyle das Konzept der Vertreter der migrantischen Selbstorganisationen, wie Vereine, Verbände oder Netzwerke nicht nur weiterentwickelte, sondern auch bestätigt, dass Förderung der Integration von Migranten keine engen Grenzen haben sollte. Eine erfolgreiche Zukunft in diesem Zusammenhang kann durch Vereine oder Organisationen, aber eben auch mit einem Video-Projekt von zwei jungen Studenten geschafft werden. Der Prozess ist zwar nicht simple und bedarf gewiss Mühe und Geduld, bleibt aber realisierbar und eine Frage der Zeit. Bis dahin drücken wir dem GLS die Daumen.
Am 11.4. 2017 sind Allaa Faham und Abdul Abbasi mit GermanLifeStyle in Jena im Theaterhaus zu sehen. Weitere Informationen dazu in Kürze hier.