Lehren aus der Kohlekommission

von Stefanie Groll

Vor dem Hintergrund der klimatechnisch unzureichenden Ergebnisse der Kohlekommission stellt sich nun die Frage, welche Lehren daraus für andere Kommissionen gezogen werden können? Welche Chancen und Risiken bieten sich für Umwelt-Akteure und Klima-Anwält/innen?

Mit Kommissionen kann Agenda-Setting betrieben werden

Kommissionen bieten die Chance, eine Diskursarena zu sichern, Themen (kurzfristig) zu katalysieren und Öffentlichkeit für ein Thema zu schaffen. Im vorletzten und letzten Jahr haben verschiedene Ereignisse geholfen, den Kohleausstieg auf die öffentliche Agenda zu setzen. Die Jamaika-Sondierungen, der Hitzesommer, die Auseinandersetzungen um den Hambacher Wald und die Einsetzung der Kohlekommission haben wechselseitig auf dieses Agenda-Setting eingewirkt. Die Vokabel „Kohleausstieg“ ist im Wortschatz der Öffentlichkeit verankert. Bei einer Mehrheit in Deutschland ist der Begriff nicht negativ- oder angstbesetzt, eine Mehrheit der Deutschen hält die Kohleverstromung für nicht mehr notwendig. Die veröffentlichte Meinung sah gerade im Spätsommer 2018 eher so aus, dass der Hambi bleiben soll und der Kohleausstieg eingeleitet werden muss. Das war Rückenwind für Klima-Stakeholder im Umfeld der Kommission.

Strukturelle Hürden für eine faire Auseinandersetzung

Vertreter/innen von Industrieverbänden haben eher einen ganzen Stab hinter sich, der ihnen zuarbeitet, der Studien auswertet, Kommentare vorbereitet etc. Akteure aus der Bewegung und Umweltgruppen haben weniger Personal- und Geldressourcen. Da lastet mehr Arbeit auf weniger Schultern. Die ungleiche Ressourcenverteilung zwischen Industrie und Umwelt-/Gesundheitsakteuren ist eine strukturelle Herausforderung. Wenn man wirklich an einem demokratischen und fairen Dialog interessiert ist, müsste man an den Formaten der Kommissionsarbeit etwas verändern.

Vertagung von Entscheidungen als Risiko

Wenn Kommissionen eingesetzt werden, kann das als Zeichen politischer (Entscheidungs-) Schwäche interpretiert werden: Diskussionen werden ausgelagert, Entscheidungen vertagt. Das dürfte zur Politikverdrossenheit beitragen und könnte der Sache inhaltlich-materiell schaden. Man könnte aber auch sagen: Die Kommissionsarbeit ist ein moderner, demokratischer Politikansatz, der die Legitimität politischer Entscheidungen erhöht.  Dann kommt es darauf an zu prüfen, ob die Arbeit denn tatsächlich auch so systematisiert ist, dass viele Stimmen gehört und ernst genommen werden können.

Kommissionen können zum Alibi für politisches Nichthandeln werden. Vertagen und Nichthandeln ist gerade im Umwelt- und Klimabereich eine sehr brenzlige Angelegenheit. Hierzulande herrschte energie- und klimapolitisch Stillstand, bevor und während die Kommission tagte. Jetzt müssen rasch Taten (Gesetze, Verordnungen, Finanzprogramme etc.) folgen, um ökologische Investitionen zu sichern und den sozialökologischen Umbau voranzutreiben. Die Intervention ostdeutscher Ministerpräsidenten hat den Abschluss der Kommission vertagt, was dazu führte, dass Umweltministerin Schulz ohne Kohleausstiegsplan zur UN-Klimakonferenz nach Kattowitz fahren musste. Es wird international sehr genau beobachtet, wie Deutschland Energiewende und Kohleausstieg betreibt. Deswegen war die Verzögerung durch die ostdeutschen Ministerpräsidenten ein schlechtes Signal auf internationaler Bühne.

In Zukunft Umweltgerechtigkeit zum Maßstab machen

Kompromisse können drei Ausgänge haben:

  • Die einen fühlen sich als Gewinner, die anderen als Verlierer (Winner/Looser)
  • Alle Seiten fühlen sich als Verlierer, weil sie etwas abgeben mussten (Looser/Looser)
  • Alle Seiten fühlen sich als Gewinner, weil sie etwas rausholen konnten (Winner/Winner)

Schaut man auf das Ergebnis der Kohlekommissionen und die Reaktionen der unterschiedlichen Gruppen, so haben die Konzerne, die Ministerpräsidenten der Kohleländer und die in der Kohleindustrie Beschäftigten vermeintlich am meisten rausgeholt.  Für die Menschen in den bedrohten Dörfern und die Anwält/innen von Umwelt und Klima ist das Ergebnis nicht befriedigend. Diese Win-Loose-Situation trägt nicht zu Umweltgerechtigkeit oder Klimagerechtigkeit bei. Bezogen auf das Format „Kommission“ müssten, wie oben dargestellt Verbesserungen gefunden werden, um strukturelle Machtasymmetrien aufzuheben. Auf diskursiver Ebene gilt es zu verankern, dass gute Beschäftigung und gerechte Zukunftsperspektiven und nachhaltiges Wirtschaften zusammengehören. In diesem Sinne rief die internationale Gewerkschaftsbewegung (darunter auch der DGB) 2017 dazu auf  „den Wandel unserer Wirtschaft hin zu einem System zu unterstützen, das die Umwelt achtet, Gute Arbeit für alle gewährleistet und sozial inklusiv ist. Das Pariser Klimaabkommen und die Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 anzuerkennen und umzusetzen ist der Anfang eines solchen Prozesses.“ Es ist gut, dass Bewegungsakteure diese Verankerung vorantreiben. Es ist auch gut, zu sehen, dass zentrale Massenmedien Umweltgerechtigkeit und Klimagerechtigkeit thematisieren.