„Die Leute wollen nicht durch Schießscharten nach draußen schauen.“ So fasst Thomas Löffel die Grenzen der energieffizienten Sanierung zusammen. Er ist Aufsichtsrat der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft der Eisenbahner in Gotha. Theoretisch möglich wäre es, alte Häuser auf diese Weise zu Passivhäusern zu dämmen – wenn man aber die Kosten und die Wünsche der Bürger berücksichtigt, erscheint es wenig sinnvoll.
Über solche Möglichkeiten und Einschränkungen der energieeffizienten Sanierung diskutierten die Teilnehmer der von der Heinrich-Böll-Stiftung veranstalteten Podiumsdiskussion „Strategien zu Modernisierung und Energieeffizienz“ am 29. November 2012 in der staatlichen Fachschule für Bau, Wirtschaft und Verkehr in Gotha.
Dabei war die Problemlage unstrittig: Wenn der menschengemachte Klimawandel nicht gestoppt wird, führt das weltweit zu einem Temperaturanstieg um 2°C. Das heutige Oslo habe dann das Klima von Schleswig-Holstein, während Rom die klimatischen Bedingungen vom heutigen Tunis habe. Deutschland hat sich deshalb im Kyoto-Protokoll verpflichtet seinen CO2-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1991 zu senken. Bisher sind zwar bereits 20 Prozent eingespart worden – allerdings nur, weil die CO2-intensive ostdeutsche Wirtschaft nach der Wende stillgelegt wurde. Um weiteres CO2 einzusparen, muss man neben der Verringerung des Ausstoßes von Kraftfahrzeugen, der immerhin für 20 Prozent der deutschen CO2-Emissionen verantwortlich ist, auch die energieeffiziente Sanierung des deutschen Gebäudebestandes in den Blick nehmen. Etwa 20 Prozent der CO2-Emissionen und 40 Prozent des Endenergieverbrauchs sind verursacht durch die deutschen Gebäude.
Die technische Entwicklung schreitet auch bei der Sanierung weiter voran. Mittlerweile gibt es nicht mehr nur das Passivhaus, das keine Energie von außen verbraucht, sondern sogar das Plus-Energie-Haus, das extra Energie produziert. „Da es jedoch nicht mehr so viele Neubauten geben wird, wir also einen sehr großen Altbestand haben, müssen die Einsparungen innerhalb der vorhandenen Strukturen erfolgen“, erklärt Kirsten Klehn, Architektin bei plan zwei Hannover. Für die Heinrich-Böll-Stiftung hat ihr Architekturbüro eine Studie zur energetischen Stadtsanierung erstellt. Darin wird die Idee des energie- und klimaoptimierten Quartiers (EKO-Quartier) entwickelt.
Im Gegensatz zum früheren Ansatz, bei dem man versuchte, die einzelnen Hausbesitzer zu erreichen und zur Sanierung zu bewegen, sei die Quartiersebene, so Klehn, ein besserer Ansatzpunkt. Hier könnten alle relevanten Akteure mit Hilfe von Öffentlichkeitsarbeit eingebunden werden: Die Bürger, die Wohnungswirtschaft und die Eigentümer. Allerdings entstehen, so zeigt Klehn auch, bei der Herangehensweise auf der Quartiersebene andere Probleme: Die Unterschiedlichkeit der Quartiere, der jeweilige Bauzustand und die Eigentümerstruktur. Besonders kompliziert sind Gründerzeitviertel und mittelalterliche Bauviertel zu sanieren. Dort ist nur wenig gedämmt, es sind Denkmalschutzauflagen zu berücksichtigen und die Eigentümerstruktur ist oftmals sehr heterogen. Kein Problem sind dagegen Einfamilienhaus- oder Großsiedlungen. Erstere sind meist noch relativ gut gedämmt, zweitere sind vielleicht wenig energieeffizient gebaut, gehören aber häufig wenigen Wohnungsunternehmen. Besonders bei der Einbindung von großen Wohnungsunternehmen müsse man auf deren Investitionszyklen achten.
Darauf weist auch Jennifer Schubert, Landtagsabgeordnete für die Thüringer Grünen, hin. In Jena beispielsweise sei die Investitions- und Sanierungsphase der Wohnungsunternehmen gerade vorbei. Etwa die Hälfte der Jenaer Gebäude ist im Besitz von Wohnungsunternehmen und -genossenschaften. In den kommenden Jahren sei es daher die Aufgabe, die Anreize für diese Unternehmen so zu setzen, dass sie beim nächsten Investitionszyklus die richtigen Instrumente einsetzen. Wichtig sei, ergänzt Klehn, dass dabei nicht immer nur der aktuelle bauliche Mindeststandard erfüllt wird, sondern auch schon mit Blick auf die zukünftigen Standards gebaut und saniert werde. Jenseits des aktuellen Standards gebe es oftmals viele neue energetische Sanierungsmöglichkeiten. Auch gibt es neben der Wärmedämmung andere Möglichkeiten die energie- und klimatechnische Bilanz der Quartiere zu verbessern: Die bisherige Fernwärmeversorgung kann durch Nahwärme ersetzt werden oder es kann der Anteil der Energieversorgung durch erneuerbare Energien erhöht werden. Das alles muss aber auch in Abstimmung mit den vorhandenen Versorgungssystemen stattfinden und sich in diese integrieren lassen. Wichtig sei, fasst Klehn zusammen, zu analysieren, welche energetische Sanierungsform für welches Quartier passt.
Zur finanziellen Unterstützung der Umsetzung gibt es mittlerweile auch sehr viele Städtebauförderprogramme. Die Landtagsabgeordnete Schubert befürchtet allerdings, dass viele Kommunen mit der Vielzahl überfordert sind und deshalb Mittel nicht in Anspruch nehmen können. Allein das Verbrauchsmonitoring, also die Erhebung, welche Quartiere wie viel Energie verbrauchen und damit eine energetische Sanierung benötigen, falle vielen Kommunen bereits schwer.
Das sieht Klaus Schmitz-Gielsdorf, der Baubürgermeister der Stadt Gotha, ähnlich. Viele Kommunen seien von der Förderkulisse tatsächlich überfordert. Aber auch die Vielzahl an neuen Gesetzen und Auflagen mache den Kommunen zu schaffen: „Es ist eine gigantische Herausforderung da wissensmäßig immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben.“ Problematisch sei das hauptsächlich, weil die Kommunen immer mehr Personal einsparen müssen.
Kirsten Klehn setzt dem entgegen, dass es genau dafür ja ein neues Förderprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gebe. Bisher war das KfW-Programm für energetische Effizienz nur zur Förderung von Einzelgebäude-Sanierungen ausgelegt und konnte oftmals die Eigentümer gar nicht erreichen. Seit 2011 hat die KfW allerdings ein neues Programm aufgelegt, das auf der Quartiersebene ansetzt. Neue Energiespar- und Klimaschutzprojekte werden dabei zu 65 % gefördert. Außerdem wird für zwei Jahre die Stelle eines Sanierungsmangers finanziert.
Schmitz-Gielsdorf ist das allerdings zu wenig: Er fordert eine 100%-Förderung. In Leipzig habe er die Erfahrung gemacht, wie der damalige Kämmerer händeringend nach einer Million Euro gesucht habe, um den geforderten Eigenanteil finanzieren und die 9 Millionen-Förderung der KfW in Anspruch nehmen zu können. Das Problem sei dabei eigentlich nicht, erklärt Schubert, dass das dafür benötigte Geld nicht da sei, sondern es werde gegenwärtig nur falsch verwendet – beispielsweise für den Straßenausbau. Man müsse endlich erkennen, dass die Energiewende jetzt viel Geld koste, aber auf lange Sicht eine Spardose sei.
Was man momentan tun könne, ergänzt Klehn, sei, dem Rat eines jeden Energieberaters zu folgen: „Auch wenn du nur wenig Geld hast, schau dir das Haus an und schau, was du als erstes umsetzen kannst.“ Und Thomas Löffel fügt hinzu: „Wichtig ist nicht, dass man das Maximum an möglicher energetischer Sanierung erreicht, sondern das Optimum.“