Das Thema liegt mir deshalb am Herzen, da ich in der DDR-Zeit innerhalb der oppositionellen Menschenrechtsbewegung aktiv war. Ich hatte damals erlebt, wie überlebenswichtig Solidarität sein kann.
Wir haben im vergangenen Jahr großartig 20 Jahre friedliche Revolution gefeiert. Unsere eigene Geschichte sehe ich dabei als Verantwortungsnahme. Wir sollten nicht vergessen, dass die Demokratiebewegung in China vor 20 Jahren in Blut erstickt wurde. Unser Blick und unsere Stimme sollten wir auf Menschen und Länder legen, die aktuell um Demokratie und Menschenrechte ringen.
Liu Xiaobo hat sich im Internet für Meinungs- und Religionsfreiheit ausgesprochen. Er hat sich gewaltfrei für elementare Grundrechte eingesetzt. In Abschreckung jeder Opposition wurde er am 25. Dezember zu 11 Jahren Haft verurteilt. Das darf uns nicht kalt lassen!
Was beinhaltet der Appell?
Die Unterstützer des Appells an die Sportwelt fordern alle Teilnehmer der Olympischen Spiele von 2008 auf, sich persönlich und direkt an die chinesische Führung zu wenden und sich für die bedingungslose Freilassung von Liu Xiaobo einzusetzen.
Wir fordern alle Sportler, insbesondere die Medaillengewinner, ebenso die Trainer, Sportfunktionäre und Nationalen Olympischen Komitees auf, jetzt nicht zu schweigen.
Warum wenden sie sich vor allem an den IOC und den DOSB?
Die Idee kam letztlich von meinen Kindern. Die sind sehr sportbegeistert und politisch interessiert.
Die Olympische Bewegung tritt offensiv mit dem Anspruch auf, Vorbild für die Jugend und aktiv für die Humanität zu sein. Wir nehmen den eigenen Anspruch der Sportwelt einfach nur ernst.
Die Zusage an China, die Olympiade im Jahr 2008 auszutragen, wurde von den internationalen Sportverbänden auch damit begründet, dass China dadurch motiviert wird, die Menschenrechtslage im eigenen Land zu verbessern. Die Realität der Diktatur hat die Realität des Sportes längst eingeholt. Durch die Teilnahme bei den Olympischen Spielen 2008 sehen wir die Vertreter des Sportes in einer besonderen Verantwortung. Dabei geht es hier nicht um eine allgemeine politische Streitfrage; sondern um die Wahrung von Menschlichkeit und elementaren Grundrechten.
Dass zeitnah zur Eröffnung der Winterspiele in Vancouver ein chinesisches Gericht in Beisein internationaler Beobachter die Revision des Urteils gegen Liu Xiaobo abgelehnt hat, verschärft diese Situation.
Wir erwarten vom IOC und den DOSB, dass Sie den Appell an die Sportaktiven weiterleiten, damit diese von unserem Anliegen Kenntnis bekommen und sich entscheiden können. Sportler und Sportlerinnen sind schließlich auch Bürger/innen mit eigener Meinung. Ich bin überzeugt, dass die Stimme der Sportwelt dabei ein eigenes, besonderes Gewicht besitzt.
Weiterhin haben sie sich an bekannte Politiker gewandt, unter anderem an unseren Außenminister Guido Westerwelle, kurz vor seinem Besuch der Volksrepublik China. Gab es auf ihre Initiative und ihr Engagement von Guido Westerwelle oder vielleicht auch anderen Regierungsmitgliedern irgendeine Reaktion?
Es gab auf den Appell zahlreiche Reaktionen. Besonders wichtig ist mir, dass wir von Seiten der chinesischen Menschenrechtsbewegung deutlich Zustimmung bekommen haben und dieser Appell im Internet Verbreitung fand.
Der IOC und der DOSB haben in keinster Weise – nicht einmal formal – auf unseren Appell reagiert. Auch von Herrn Westerwelle und Herrn Nooke gab es keine Antwort.
Demgegenüber hat Volker Beck, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer und menschenrechtspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen den Appell offen unterstützt und bezeichnete in einem Schreiben die Initiative als „einen kreativen und hoffentlich vom Erfolg gekrönten Weg.“
Von welchen bekannten Persönlichkeiten aus Sport, Politik oder Medien erhalten sie bereits Unterstützung?
Eine der wichtigsten Hilfen bekam der Appell von der Havemann-Gesellschaft in Berlin. Deshalb befinden sich unter den 139 Unterzeichnern auch zahlreiche DDR-Oppositionelle.
Zu den Unterstützern gehören unter anderem:
Tienchi Martin-Liao, Vorsitzende des Unabhängigen Chinesischen Schriftstellerverbandes, Prof. Ines Geipel, ehemalige Sprintweltrekordlerin, die Regisseurin Freya Klier, namhafte Sportjournalisten wie Herbert Fischer-Solms, Thomas Purschke und Astrid Rawohl.
Aus Thüringen stehen unter anderem Astrid Rothe-Beinlich, Mitglied und Vizepräsidentin des Thüringer Landtages und Ulrich Töpfer, Landesgeschäftsführer des Bundes Evangelischer Jugend in Mitteldeutschland unter dem Appell.
Realistisch gesehen, was erhoffen sie sich von ihrem Appell?
Ich wünsche mir, dass der Appell weiter bekannt wird und so vielleicht auch ohne Beistand des IOC Sportler und Sportlerinnen erreicht. Ich wünsche mir, dass der Aufruf weitere Menschen ermuntert, sich für Liu Xiaobo und andere inhaftierte Demokraten einzusetzen. Dazu braucht es Ausdauer und Phantasie.
Ich hoffe, dass sich Menschen weiterhin hinter dem Appell stellen und sich vielleicht selbst an den IOC und BOSB wenden. Eine Nachahmung der Initiative in anderen Ländern würde den Druck auf China und die Aufforderung an die Sportwelt weiter verstärken.
Vor allem erwarte ich, dass mit dem Appell Solidarität für Liu Xiaobo, dessen Familie und der chinesischen Demokratiebewegung sichtbar wird.
Interview: Lydia Wagner
Michael Kleim ist evangelischer Theologe und arbeitet als Jugendseelsorger in Gera. Innerhalb dieser Tätigkeit ist es ihm wichtig, jungen Menschen die Bedeutung von Demokratie und Menschenrechten zu vermitteln.
Der Appell an die Sportwelt: Aufruf zur Solidarität mit Liu Xiaobo auf den Seiten der Robert-Havemann-Gesellschaft.