,,Einmal Fleisch in der Woche reicht"

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Quelle: berggeist007_pixelio.de

Auf dem Podium der Diskussion "... und was Macht der Verbraucher?" debattierten der Landessprecher der Grünen, Dr. Frank Augsten, der Thüringer CDU-Abgeordnete und Vorsitzende der Verbraucherzentrale Thüringen, Christian Gumprecht, und der Konsumsoziologe Jens Hälterlein. 

 

Nachhaltiger Konsum ist selbst für die Menschen, die sich täglich damit beschäftigen, nur schwer zu definieren. Pragmatisch und salopp bringt Frank Augsten auf den Punkt, was für ihn nachhaltiger Konsum ist:  „Nicht mehr konsumieren, als nachwächst.“ Etwas genauer versucht es der Wissenschaftler Jens Hälterlein. Nachhaltiger Konsum sollte zugleich den folgenden drei Ansprüchen genügen: Er sollte als erstes „sozial gerecht“ sein, so dass die Produkte nicht durch Ausbeutung oder Kinderarbeit hergestellt worden sind. Zum zweiten sollte das Produkt „ökologisch“ angebaut worden sein und beispielsweise nicht mit Pestiziden behandelt worden sein. Als drittes sollte es auch „ökonomisch“ gerecht sein, so dass der Produzent einen Preis erhält, von dem er leben kann.

Soweit die Definition. Für den Konsumenten ist es allerdings schwierig beim Kauf eines Produkts zu wissen, ob es allen drei Ansprüchen entspricht. Bereits an der einfachen Frage, ob es denn besser sei Obst saisonal zu essen, lässt sich erkennen, wie schwierig nachhaltiger Konsum zu definieren ist. Es ist natürlich naheliegend, Obst zu essen, das aus der Region nur einen kurzen Weg in den Laden zurück gelegt hat. Es gibt aber auch je nach Frucht besser geeignete Anbaugebiete, in denen der Aufwand des Anbaus geringer ist als in der Verkaufsregion. Das regionale Obst muss zum Teil extrem gedüngt und hochgezüchtet werden. Daher ist zum Teil die ökologische Bilanz eines aus dem Ausland importierten Produkts besser als die eines einheimischen Produkts. 

Wer kann nun Ordnung in diesen unklaren und uneindeutigen Bereich bringen? Die Politik könnte zumindest, so Frank Augsten, für eine bessere Informationspolitik sorgen. Aber sie könnte auch eingreifen, wenn es gesellschaftliche Fehlentwicklungen gibt, die schwerwiegende Folgen haben könnten. Große Probleme sieht Augsten beispielsweise bei der Schulspeisung. Dort könnte die Politik durch ein Gesetz regeln, dass das Schulessen für alle kostenlos und ausgewogen sein sollte. Damit könnte die schlechte Ernährung vieler Schüler verhindert werden. Wenn das nicht verändert werde, „kommen schlimme Zeiten auf uns zu, da unser Gesundheitssystem kollabieren wird.“ Das sei keine Frage der Kosten des Schulessens, widerspricht der CDU-Politiker Gumprecht. Die gesunde Ernährung der Kinder werde im Wesentlichen durch die Unterstützung der Eltern bestimmt. Wenn die Eltern nachhaltige und gesunde Ernährung ihrer Kinder zu Hause nicht unterstützen, bringe das kostenlose Schulessen auch nichts, da es von den Kindern abgelehnt werde.

In einem solchen Disput zeigt sich für den Soziologen Hälterlein, die Frage, ob die Politik stärkere Vorgaben machen oder die Entscheidung dem Verbraucher überlassen sollte. Laut Hälterlein setzt sich in der Gesellschaft immer stärker die Idee durch, dass nachhaltiger Konsum nicht von oben über Gesetze verordnet werden kann, sondern, dass das Individuum selbst auswählen und sich für nachhaltige und gesunde Produkte entscheiden kann. Allerdings führe das zu einem merkwürdigen Effekt: Es gibt einen wissenschaftlich nachgewiesenen Unterschied zwischen der Einstellung zum ökologischen Konsum und dem realen Kaufverhalten. Bei Befragungen geben weit mehr Menschen an, dass sie nachhaltigen Konsum als sehr gut und wichtig einschätzen, als dann letztendlich auch nachhaltige Produkte konsumieren. Für Jens Hälterlein entsteht diese Lücke, weil die Menschen verunsichert sind, was sie kaufen können: „Wir, die wir hier auf dem Podium sitzen, beschäftigen uns schon lange mit nachhaltigem Konsum und wissen dennoch nicht genau, was das eigentlich sein soll. Wie sollen es dann die Verbraucher wissen?“ Frank Augsten sieht für dieses Problem eine ganz einfache Lösung: „Man muss es nur ordentlich deklarieren.“ Das Ganze sei ein Informationsproblem, da die Verbraucher die nachhaltig hergestellten Produkte nicht eindeutig erkennen könnten. Gerade auch durch die Vielzahl der Siegel, so der Verbraucherschützer Gumprecht, entstehe eine Verunsicherung beim Verbraucher, da er nicht wisse, welchem Siegel er nun trauen könnte. Dabei, meint er, könne man den meisten Siegeln heute vertrauen. Wenn also ein Siegel auf einem Produkt sei, stehe das auch für eine gewisse Qualität.

Für den Soziologen Hälterlein ist es aber nicht nur dieses Informations- oder Deklarationsproblem, sondern auch ein ästhetisches Problem: Gerade über den Konsum definieren heutzutage viele Menschen ihre Identität: Ich zeige durch mein Konsumverhalten, wer ich bin oder sein will. Dabei gehe es natürlich auch um das Image, das mit einem bestimmten Konsumstil verbunden ist. Der klassische Ökokonsument war in den achtziger Jahren ein „Gutmensch“, der einen zu großen Strickpullover und Ökolatschen trug. Heutzutage wird das ökologische und nachhaltige Leben jedoch zunehmend schick. Es ist nicht mehr verbunden mit einem auf Verzicht gegründeten Nischendasein, sondern wird zunehmend neu definiert als ein gesundes Leben ohne Verzicht. Man tut seinem Körper durch den Konsum gesunder Produkte Gutes – eine Art Wellness. Das sehe man besonders auch an der Bewegung der LOHAS. Die Abkürzung steht für „Lifestyle of Health and Sustainability“ und kennzeichnet eine Gruppe von Verbrauchern, die versuchen, sich gesund und nachhaltig zu ernähren. Sie kaufen ihre Produkte in Bioläden und machen Urlaub jenseits von Pauschalreisen. Geld spielt für sie dabei eine eher untergeordnete Rolle, da sie zumeist auch überdurchschnittlich verdienen. Die Idee, dass Geiz geil sei, lehnen sie strikt ab, weil man an gesunden Lebensmitteln nicht sparen sollte.

Auch der CDU-Politiker Gumprecht lehnt diesen Slogan strikt ab, er sollte seiner Meinung nach sogar von der Politik verboten werden. Diese Mentalität habe die Menschen dazu gebracht, bei Lebensmitteln immer mehr zu sparen, statt auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung zu achten. Diese Position könne letzten Endes nur durch die eigenen Moralmaßstäbe und das Bewusstsein, wie wichtig Nachhaltigkeit sei, überwunden werden.  Gerade an dieser Frage offenbaren sich, für den Soziologen Hälterlein, aber auch viele gesellschaftliche Widersprüche: „Geiz ist geil“ werde zum einen als gesellschaftlicher Anspruch propagiert, sich als ökonomisch und rational kalkulierendes Individuum zu verhalten. Gleichzeitig wird aber auch moralisch gefordert, dass man nicht geizig sein sollte, da dieses Verhalten sonst negative Auswirkungen auf den unterschiedlichsten Ebenen haben könnte: Man macht den eigenen Körper durch ungesunde Ernährung kaputt, man unterstützt Tierquälerei durch den Kauf von Fleisch aus Massentierhaltung oder man schadet dem Klima durch den Konsum von Produkten mit einem langen Transportweg. Diese widersprüchlichen Anforderungen muss der moderne Mensch in sich vereinbaren.

Dabei sei es eigentlich gar keine Frage des Geldes, erklärt Frank Augsten ganz pragmatisch. Das einzige, was bei nachhaltigem und ökologischem Konsum teuer sei, sei das ökologische Fleisch. Deshalb richtet der Vegetarier Augsten auch einen klaren Appell an das Publikum: „Esst nicht so oft Fleisch, das ist viel gesünder und billiger.“ Auf diese Weise könne nachhaltiger Konsum auch mit einem kleinen Geldbeutel finanziert werden. „Einmal die Woche reicht!“