Die Gründe für die Rüstungsproduktion haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert: Bis 1990 sei es laut Zumach im Westen im Wesentlichen das Gewinninteresse von Unternehmen gewesen, dass die Rüstungsproduktion vorantrieb – kombiniert mit dem Wunsch die Bundeswehr mit „eigenen“ Waffen auszurüsten.
Durch zivilgesellschaftlichen Druck, der in den 70er Jahren bis in die Politik reichte, wurden von der Bundesregierung 1972 erstmals Richtlinien für die Beschränkung von Exporten beschlossen. Die Grundlinie lautete: „Keine Rüstungsexporte in Spannungsgebiete“. Diese Linie wurde laut Zumach jedoch nie umgesetzt: Bereits 1974 seien unter Helmut Schmidt Leopard-1-Panzer nach Saudi-Arabien geliefert worden, von denen klar gewesen sei, wofür sie eingesetzt werden. Für ihn ist die dauerhafte Nicht-Umsetzung der Exportrichtlinien „der größte politische Skandal der letzten 50 Jahre“.
Seit 1990 sei noch eine Ausweitung der Motive hinzugekommen: Rüstungsexporte dienten zur Unterstützung von Verbündeten in aller Welt, zur Ausübung von politischem Einfluss auf Länder und Regionen und als Türöffner für zivile Bestellungen. Es entstand ein elementares Interesse an einem international wettbewerbsfähigen Rüstungssektor in allen Bereichen. Mögliche Synergieeffekte wurden im europäischen Rahmen – außer in der teuren Luftfahrt – nicht genutzt. Da die Beschaffungsaufträge durch die Bundeswehr absehbar zurückgehen würden, brauchte die Rüstungsindustrie Exporte, um ihre Kapazitäten weiterhin auszulasten. So wurde Deutschland zum drittgrößten Rüstungsexporteur der Welt – hinter den USA und Russland.
Der Rüstungssektor hat am Bruttoinlandsprodukt jedoch nur einen Anteil von 1,2 Prozent, die Rüstungsexporte entsprechen lediglich 1 Prozent der deutschen Gesamtexporte und in der Rüstungsindustrie sind selbst bei großzügiger Rechnung nur 120.000 Menschen in Deutschland beschäftigt. In allen anderen Industrieländern seien diese Zahlen deutlich höher. Daher hält Zumach Deutschland für eines der wenigen Industrieländer, die es sich leisten könnten, aus den Rüstungsexporten auszusteigen.
Dies schien auch unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer zunächst zu passieren, als Rot-Grün 1998 an die Macht kam. Beide wollten Waffenexporte wieder begrenzen und Menschenrechtsverletzungen im Empfängerland zu einem Ausschlussgrund machen. Ob dies umgesetzt worden ist, ist fraglich. Rüstungsexporte gelten als Exklusivrecht der Regierung und werden im Bundessicherheitsrat diskutiert und beschlossen. Darin tagen die Kanzlerin und sieben Fachminister im Geheimen. Details zu Diskussionen kommen daher oftmals erst Jahre später in die Öffentlichkeit. Laut Zumach habe es aber in der rot-grünen Regierungszeit keinen einzigen bekanntgewordenen Fall gegeben, in dem ein Rüstungsexport aufgrund von Menschenrechtsverletzungen ausgeblieben sei.
Heute ist Deutschland nicht nur die Nummer drei unter den Waffenexporteuren, sondern laut dem norwegischen Stockholm International Peace Research Institute, auch das einzige Land das Waffen bei Staatsbesuchen an Regierungen verschenkt.
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