Für ihn haben Fußballer prinzipiell eine soziale Verantwortung als Person des öffentlichen Lebens. Es sei ihm aber erst sehr spät bewusst geworden, dass das, was er sagt, irgendwie bedeutsam sein könnte und er in dieser Position auch eine gesellschaftliche Verantwortung trage. Da aber Fußball ein sehr materialistisch geprägter Sport sei, habe es eine solche Auffassung noch immer sehr schwer. Es brauche wahrscheinlich einen Anstoß von außen, um das zu ändern. Es gebe allerdings auch innerhalb des Fußballs bereits einige Leute, die sich sozial engagieren. Ein gutes Beispiel dafür ist Phillipp Lahm, der mehrere bundesweite soziale Projekte unterstützt. Oder Jens Lehmann, der einen Aufklärungsfilm zur WM über AIDS gemacht hat. Diese einzelnen Bemühungen bekommen mittlerweile auch eine positivere Resonanz. „Das soziale Engagement von Fußballern wird langsam salonfähig, das Meinungsklima ändert sich,“ so Schmidt.
Langsam wird auch erkannt, dass Fußball noch vieles mehr leisten kann. Für Katrin Göring-Eckardt, Vizepräsidentin des deutschen Bundestages und langjährige kulturpolitische Sprecherin der Grünen, könnte Fußball als „Lautsprecher für mehr Nachhaltigkeit dienen“. Beispielsweise könne das Handeln auf regionaler Ebene auch durch eine stärkere Nachhaltigkeit geprägt sein. Der FC Freiburg beispielsweise habe sein Stadion mit zwei Photovoltaikanlagen ausgestattet, die einen Großteil des Strombedarfs des Vereins abdecken. Auch könnten die Teams mehr darauf achten, dass nachhaltige Produkte in den Stadien verkauft werden. Die Fans könnten durch ihren Konsum auch für gerechtere Herstellungsbedingungen bei den Fanartikeln sorgen (siehe anderer Artikel). Es gebe im deutschen Fußball auch bereits Verbündete, zum Beispiel den Präsidenten des DFB, Theo Zwanziger. Aber bei Veränderungen muss man an die großen Vereine und Sponsoren ran, so Göring-Eckardt. Deren Engagement könnte eine große Symbolkraft haben und andere nachziehen. Die Fifa wurde jedoch noch nicht vom Nachhaltigkeitsdenken erfasst. Für die WM in Südafrika wurden Stadien in Gegenden erbaut, in denen es keinerlei sinnvolle Verwendung mehr für die Gebäude nach der WM geben wird.
Wirkliche Nachhaltigkeit will auch Michael Fritz fördern. Für ihn ist Fußball eine universelle Sprache. Man brauche nicht mehr als eine Dose und schon kann man sich mit allen Menschen verständigen. Das sei für ihn der Spirit of Football und nicht das, was die Industrie daraus mache. Gemeinsam mit Benjamin Adrian vom FC St. Pauli hat er deshalb das Projekt „Viva con Agua“ ins Leben gerufen. Der Verein sammelt auf Konzerten und bei Benefizspielen Spenden, um mehr Menschen den Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen. Während eines Trainingslagers auf Kuba waren die Fußballer im Jahr 2005 auf den desolaten Zustand von Schulen und Kindergärten aufmerksam geworden. Dank der Initiative sind mittlerweile ca. 5000 Einrichtungen mit Wasserspendern und Trinkwasser für 30 Jahre versorgt worden. Etwa 60.000 Menschen haben so Zugang zu frischem Wasser bekommen. Aber noch immer fehlt 1,2 Milliarden Menschen dieser Zugang.
Aber eine Veränderung kann eben nur über solche kleinen Projekte funktionieren. Das sieht auch Lisa Palitza so. Sie ist Mitglied im Jenaer Verein „Hintertorperspektive“. Der Verein will Aufklärungsarbeit unter den Fans leisten gegen Rassismus, Sexismus und Diskriminierung. Daher führen sie zu diesen Themen Workshops mit Jugendlichen durch. Aber sie gehen auch direkt in die Stadien und arbeiten dort gegen Diskriminierung: Sie sprechen einzelne Fans direkt an, wenn sie rassistische oder schwulenfeindliche Sprüche ausrufen. „Das sind oft schon krasse Konfrontationen,“ sagt Palitza. Aber meist haben die Angesprochenen noch gar nicht darüber nachgedacht, was sie da rufen, sondern haben sich einfach nur von der Dynamik der Masse treiben lassen. Es gebe zu viele Sprüche, die unter Fan-Sein laufen, die aber Grenzen überschreiten und Menschen diskriminieren.
Die Vielfalt im Fußball sei immer noch unterentwickelt: „Fußball ist Macho“, findet Göring-Eckardt. Fußball und Bundeswehr seien die letzten Refugien der Homophobie. Fußball ist geprägt durch aggressive Männlichkeit und bietet nur wenig Raum für Anderssein. Dass die Fußballer selbst sehr große Angst haben, sich zu outen, liege auch an einem katastrophal ausgegangenen Outing. Der englische Spieler Justin Fashanu hatte sich als (bisher einziger) aktiver Spieler im Jahr 1990 in britischen Medien geoutet. Nach mehreren persönlichen Rückschlägen beging er 1998 Selbstmord.
Im Gegensatz dazu steht Marcus Urban. Er hat sich zwar erst nach seinem Ausstieg aus dem Fußball geoutet, widmet sich aber nun ganz offensiv dem Thema und will mehr Öffentlichkeit für die Problematik schaffen. Er war in den 80er Jahren ein Jugendnationalspieler der DDR und spielte bei Rot-Weiß-Erfurt. Bereits damals spürte er, dass er sich eher zu Männern hingezogen fühlte, unterdrückte das aber nach der Devise: „Ich bin Fußballer, also kann ich nicht schwul sein.“ Er spürte einen enormen Konformitätsdruck und konnte auch seine Leistungen in den Spielen nicht mehr erbringen. Daher stieg er aus dem Fußball aus und outete sich erst vier Jahre später. Dieses Schicksal sollte nicht noch anderen guten Fußballern widerfahren. Deshalb hat er seine Geschichte in dem Buch „Versteckspieler“ veröffentlicht und das Expertenetzwerk „Fußball gegen Homophobie“ mitbegründet. Mittlerweile ist Urban Kommunikationsberater in Hamburg. Er berät heute große Unternehmen im sogenannten Diversity-Managament, um ihnen den Wert der Vielfalt ihrer Mitarbeiter zu verdeutlichen. „In den USA“, ergänzt Göring-Eckardt, „ist man in diesen Fragen schon viel weiter.“ Da habe man die Bedeutung der Vielfalt erkannt und betrachte sie als eine Riesenbereicherung für die Gesellschaft.