Dachgärten in New York oder Toronto, der Prinzessinnengarten in Berlin-Kreuzberg oder die bunten Parzellen auf dem alten Flughafen Berlin Tempelhof – sie prägen bisher das Bild vom urbanen Gärtnern. Doch wie steht es eigentlich darum in Thüringen?
Zur Abschlussveranstaltung der Ausstellung „Carrot City – Die Produktive Stadt“ kamen Vertreter/innen verschiedener Thüringer Gemeinschaftsgartenprojekte – von Saalfeld über Jena und Erfurt bis Eisenach – in den Erfurter Hauptbahnhof. Sie wollten erfahren, wie Projekte in Thüringer Städten gärtnern – und warum eigentlich?
Marco Schrul von der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen eröffnete die Veranstaltung mit der Frage, wie der „Weg zur produktiven Stadt“ beschritten werden könne. Zum Einstieg wurde ein Kurzfilm über Gemeinschaftsgartenprojekte in Leipzig gezeigt, wo die Idee sich rasant verbreitet hat und sich die Stadtverwaltung als fester Kooperationspartner sieht. Anschließend stellten die Interkulturellen Gärten Erfurt, Eisenach und Saalfeld sowie die Gemeinschaftsgärten in Jena und Erfurt ihre Projekte vor.
Dass es um demokratische Mitbestimmung und Teilhabechancen in der eigenen Stadt geht – darin waren sich alle einig. „Städtische Flächen können so vielseitig genutzt werden. Zu oft sind Freiräume kommerziellen Nutzungen vorbehalten. Das sollte gemeinsam ausgehandelt werden“, meinte Michael Franz. Es geht aber auch um Alternativen zur industriellen Lebensmittelproduktion und der damit verbundenen Konsumskultur. „Eine fremdversorgte Gemeinschaft ist einfach nicht widerstandsfähig genug angesichts potentieller Krisen“, sagte der Volksgärtner.
Die Lagune Erfurt nutzt verschiedene Freiräume, um ein neues Verhältnis von Mensch und Natur innerhalb der Stadt zu gestalten. Ob Naturerfahrungsräume für Kinder und Jugendliche, gemeinschaftliches Gärtnern mit Migrant/innen oder Pflanzentauschbörsen. „Kreativität und Zusammenarbeit sind die Schlüssel für ein lebendiges Projekt“, sagte Frank Mittelstedt von der Lagune. Unterstützt wird das Projekt dabei auch von der Stadt Erfurt, welche darüber hinaus einen „Brachflächenfonds“ zur Verfügung stellt. Maike Röder von der Diako Westthüringen beschrieb die Bunten Gärten Eisenach als „Freiraum für Dialog, Begegnung und Austausch und zwar über kulturelle und Altersgrenzen hinweg“. Das vom Amt für Migration und der Diakonie geförderte Projekt will sogenannte „Einheimische“ und „Zuwanderer“ zusammenbringen, doch auch Grundschulkinder und sogar deren Eltern werden gezielt in die Gartenarbeit einbezogen. Auch der Interkulturelle Garten Saalfeld, der direkt um die lokale Gemeinschaftsunterkunft entstanden ist, will das Zusammenleben vor Ort verbessern. „Vor allem müssen Vorurteile abgebaut werden“, sagte Theresa Sippach. Dabei geht es um mehr als gemeinschaftliches Säen, Ernten und Kochen und um frische, gesunde Lebensmittel herzustellen. Gemeinschaftsgärten sind ein „Ort des Lernens“, wie es Michael Franz ausdrückt. Die Auseinandersetzung mit anderen Menschen und Kulturen, mit der Natur und Möglichkeiten eine nachhaltige Stadt mitzugestalten.
Nach Erfahrung der Thüringer Gemeinschaftsgärten lohnt es sich, Förderungen bei der Stadt, aber auch bei Wohlfahrtsverbände oder Stiftungen zu beantragen. Leider reicht das oft nicht aus. Ebenso wichtig ist für die Projekte darum ein Netzwerk gegenseitiger Unterstützung. Maike Röder von den Bunten Gärten Eisenach berichtet zum Beispiel über Pflanzen und Gartengeräte, die von Nachbar/innen, Gärtnereien, Freund/innen und Bekannten gespendet werden.
In der Diskussion zeigte sich, dass die meisten Probleme von Gemeinschaftsgartenprojekten letztlich auf strukturelle Rahmenbedingungen zurückgeführt werden können. Die Projekte sind auf ehrenamtlich Engagierte angewiesen, oft werden Flächen nur für begrenzte Zeit zur Verfügung gestellt und finanziell gefördert. Das erschwert langfristige Planungen und feste Verantwortlichkeiten bei den Mitarbeiter/innen. Solche Unsicherheiten sind sicherlich auch ein Grund, warum Projekte nicht entstehen, sagte Frank Mittelstedt. Langfristiges Ziel wäre es daher, mit der Stadt(verwaltung) zu kooperieren und einen festen Etat im Haushaltsplan zu bekommen. Neben diesen strukturellen Problemen, haben die Stadtgärtner/innen aber auch mit ganz natürlichen „Feinden“ – wie etwa Blattläusen oder Wühlmäusen – zu kämpfen.
Auf die Frage, wie es weiter geht, antwortete „Lagunaut“ Frank Mittelstedt, dass es viele Brachflächen in Thüringer Städten gibt, die darauf warten genutzt zu werden. Zudem könne es auch eine qualitative Weiterentwicklung der Projekte geben. „Für Phase II brauchen wir Ideen für eine flexible Nutzung von Zwischenflächen“, sagte Mittelstedt. Zum Beispiel könnte man Terrassen begrünen und Beete in die Vertikale zu bauen. Nach Karin Kowol vom Interkulturellen Garten Erfurt brauchen längerfristig bestehende Projekte dafür aber erst einmal ein sicheres Fundament: Etwa einen festen Standort, d.h. eine dauerhafte Fläche - und eine beständigere Förderung. Dann könne man auch für neue Projekte in andere Stadtteile ausschwärmen.