„Hands-on; praktisch, auf Handlung und Partizipation aufbauend
Urbanism/Urbanismus; Kultur und Lebensweise der Städterinnen und Städter
Hands-on Urbanism, Bottom-up Urbanism und ungeplante Stadtentwicklung sind nicht die Ausnahme von der Regel, sondern treibende Kräfte der Stadtentwicklung, oft Auslöser offizieller Planungsstrategien.
Seit der Industrialisierung in Europa und Nordamerika, gefolgt von der in der südlichen Hemisphäre, bis zur neoliberalen, developergetriebenen Stadt heute ist die Geschichte der Stadtentwicklung eine Abfolge von Krisen. Das Gärtnern und informelles Siedeln sind deren Seismographen. Vielmehr noch sind sie jedoch auf Selbsthilfe und Selbstorganisation setzende Handlungsmacht, die Veränderung von unten in Gang setzt.“
Elke Krasny, Einleitung zur Ausstellung
Seit dem Modernisierungsschock der Industrialisierung sind Städte mit schwierigsten Herausforderungen konfrontiert. Nicht nur die aktuellen Krisen setzen urbane Ballungszentren weltweit unter Druck und machen Ansätze einer anderen Stadtentwicklung von unten sichtbar. Vor allem in Mangelsituationen erzeugen Stadtbewohner seit jeher Lösungen. Siedeln und Nutzgärten führen zu alternativen Formen des Zusammenhalts, der Nachbarschaftlichkeit und der Verteilungsgerechtigkeit.
Im Zuge ihrer internationalen Recherchen führte Elke Krasny Interviews mit Architekt/innen, Planer/innen, Aktivist/innen, Künstler/innen, Forscher/innen, Siedler/ innen, Schrebergärtner/innen und Community Gardeners. Im Ergebnis gibt „Handson Urbanism 1850 – 2012" einen Einblick in selbstorganisierte, kollektive, informelle Bewegungen; in Projekte, die durch Selbsthilfe, aber auch von Architekt/innen oder anderen Akteuren initiiert wurden. Anhand von Beispielen in Europa, Lateinamerika, den USA und Asien wird in der Ausstellung dargelegt, wie oft kleine Projekte maßgeblich zu großen Veränderungen führen – vom Schreberverein in der Leipziger Westvorstadt 1865 bis zu den Plänen für das Projekt R-Urban in Colombes bei Paris aus dem Jahr 2012.
„Hands-On Urbanism 1850 – 2012" zeigt so eine andere urbane Ideengeschichte, die dringliche Fragen an die Verantwortung von Gestaltung durch Architektur, Planung und Politik sowie an die Ressourcenlogik von Städten stellt. Stadtentwicklung von unten führt zu informeller und selbstorganisierter Produktion von Stadt, die jedoch nie außerhalb des Systems agiert. Selbstorganisation ist immer schon sowohl Reaktion auf als auch Anstoß für die Stadtplanung gewesen. Das Spektrum der Reaktionen von Stadtplanung und -verwaltung reichte dabei von Duldung über verspätete Infrastrukturmaßnahmen bis zu behördlich unterstützenden Maßnahmen oder der Einführung neuer Gesetze und Legalisierung.
Die Ausstellung wurde für das Architekturzentrum Wien erarbeitet und im Frühjahr 2012 dort mit großem Erfolg und internationaler Beachtung gezeigt. In der Folge war sie (in adaptierter Version) u. a. auf der 13. Internationalen Architektur-Biennale in Venedig zu sehen.